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High Five mit der Denkbilder Filmproduktion

Zürich, Bern, Bienen, Berge, Beziehung und Filme produzieren. Wie man das schafft und nebenbei noch ein Crowdfunding startet, haben uns Helen Gyr und Cyril Venzin, die beiden Gründer*innen erzählt.

Kathrin Hanisch
09. Februar 2022

1. Als wir uns kennengelernt haben, gehörte das Filmemachen noch nicht zu eurem Leben. Wie kam es dazu, dass ihr beim Film gelandet und Anfang 2021 die Denkbilder Filmproduktion gegründet habt?

Helen: Dass ich eines Tages eine Produktionsfirma gründe, hätte ich früher selbst nicht geglaubt. Das Interesse am Filmen kam durch das Studium, in der Auseinandersetzung mit der Visuellen Anthropologie.

Cyril und ich haben uns 2012 am Workshop „ethnografisch Filmen“ kennengelernt und seither haben wir uns von der Entwicklung über die Produktion und Postproduktion weiterentwickelt. 2019 habe ich für meine Feldforschung in Kolumbien die Kamera mitgenommen und daraus entsteht jetzt ein Dokumentarfilm „La verdad no es una prostituta“ (Die Wahrheit ist keine Prostituierte).

Cyril: Das stimmt nicht ganz, das Filmemachen stand sicherlich nicht im Vordergrund, jedoch war es damals schon Thema in unserem Leben. Immerhin hatten wir uns an einer Summer School for Ethnografic Filmmaking 2012 kennengelernt. Dort produzierten wir kleinere ethnografische Filme mit Hilfe von Profis aus dem Dokumentarfilm. Wir beide lernten die Arbeit mit Kamera und Mikrofon also im anthropologischen Kontext kennen. Später arbeiteten wir immer wieder bei unterschiedlichen Projekten wie Musikvideos, Reportagen oder Corporate Videos in diversen Positionen am Set oder in der Postproduktion mit. Nach längerer Überlegung und Planung entschlossen wir uns 2021 als Filmproduzenten selbstständig zu machen. Wir konzentrieren uns auch auf die Produktion von essayistischen und dokumentarischen Filmen, machen aber auch Portrait- und Werbevideos für Unternehmen.

Was kann Literatur für Kinder leisten? Eine ruandisch-schweizerische Geschichte über Bücher für Kinder in Ruanda nach dem Genozid von 1994. (Bakame ©Denkbilder Filmproduktion)

2. Hattet ihr Unterstützung bei der Gründung? Sowohl von privater als auch von staatlicher Seite?

Helen: Als ich meinen Freunden und meiner Familie von unseren Pläne der Selbständigkeit erzählt habe, kam das für viele überraschend. Nach dem Studium der Sozialanthropologie und Rechtswissenschaft eine Filmproduktionsfirma gründen? Ja, weil das Handwerk dazu konnte ich in der Visuellen Anthropologie von Profis innerhalb von sieben Jahren erlernen und weiterentwickeln. Unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven helfen bei komplexen Themen, sie einfach darzustellen. Aus diesem Grund ist die Unterstützung aus der Wissenschaft sehr groß. Wir pflegen Kontakte zu unterschiedlichen Fachrichtungen und sind über das viele positive Feedback überrascht.

Unsere Familie und Freunde sind die größten Unterstützer. Die positiven Reaktionen und die Hilfsbereitschaft ist enorm groß. Was ich an meinen Freunden und Familie schätze, ist, dass sie auch alle unangenehmen Fragen stellen, die vor der Gründung einer Firma enorm wichtig sind. Vor der Gründung hatte ich auch ein professionelles Coaching zur Selbständigkeit und dank meiner Schwester, die Anwältin ist, wurden wir auch rechtlich sehr gut beraten. Natürlich wurden wir auch oft gefragt, ob wir als Paar wirklich zusammen eine Firma gründen wollen. Es hat seine Vor- und Nachteile, das ist uns bewusst. Bevor wir ein Projekt beginnen legen wir fest, wer welche Funktion bei diesem Projekt einnimmt und in welchem Bereich jeweils das letzte Wort hat. Für den Notfall haben wir aber auch einen Plan für die Firma, wenn wir uns trennen.

Was ich an meinen Freunden und Familie schätze, ist, dass sie auch alle unangenehmen Fragen stellen, die vor der Gründung einer Firma enorm wichtig sind.

Cyril: Die Gründung lief eigentlich reibungslos ab, gerade weil wir in rechtlichen Fragen auf die Unterstützung durch Helens Schwester zählen konnten, die sich selbst als Anwältin selbstständig gemacht hatte und Erfahrung bei der Beratung von Startups hat.

3. Im letzten Jahr habt ihr eine erfolgreiche Crowdfunding Aktion gestartet. Wie kam es dazu und was ist aus dem Projekt geworden?

Helen: Wir haben für den Dokumentarfilm „La verdad no es una prostituta“ ein Crowdfunding gestartet, um als Newcomer auf unser Projekt aufmerksam zu machen und unsere erste Finanzierung aus unterschiedlichen Quellen zu schöpfen.
Wir mussten bei dem Projekt leider den Zeitplan anpassen. Coronabedingt ist es momentan schwierig zu planen. Außerdem hat sich die Situation in Kolumbien verschlechtert. An den Orten, an denen ich war, ist es momentan zu gefährlich, um hinzureisen. Eine Protagonistin des Filmes befindet sich außerdem auf der Flucht und die Kommunikation hat sich erschwert. Unser Ziel ist es jetzt, das Dossier nochmals zu überarbeiten. Der Film soll bis Ende 2022 fertig sein, so dass wir ihn ab 2023 zeigen können.

Cyril: Wir dachten, dass ein Crowdfunding eine gute Marketingaktion und gleichermaßen Finanzierungsquelle für den Dokumentarfilm „La Verdad no es una Prostitua“ sein könnte. Wir übertrafen schließlich unsere Finanzierungsziele innerhalb der Kampagne und konnten eine erste kleine Community schaffen, die am Projekt interessiert ist. Die Pandemie zwang uns dann aber unseren Produktionsplan umzustellen. Nun sind wir dabei weitere finanzielle Mittel zu beschaffen, damit wir im Herbst nochmals nach Kolumbien reisen können und den Film Ende des Jahres fertig zu haben. Ich denke, wir haben durch das Crowdfunding lernen können wie eine Community aufzubauen ist. Vor allem auch das resultierende Feedback ist schließlich in die Weiterentwicklung des Films eingeflossen, was sehr wertvoll war. Zudem gibt solch eine Aktion einen Eindruck darauf wie ein potenzielles Publikum auf die Geschichte reagiert, die wir erzählen wollen.

Plattenbauten außerhalb von Simferopol, der Hauptstadt der Krim. (Crossroads Crimea, ©Cyril Venzin 2016)

4. Wenn ihr auf das erste Jahr Denkbilder zurückblickt, was sind eure persönlichen Highlights und welche Fehler hätte es nicht gebraucht?

Helen: Für mich ist es die Vielseitigkeit. Wir waren in Ruanda, haben an der ZHdK (Züricher Hochschule der Künste) die Filmmusik für das Krim-Projekt aufgenommen, haben Werbevideos gedreht und viele unterschiedliche und spannende Menschen kennengelernt. Wir waren mit der Kamera auf der Piste, unter Bienen und bei ganz unterschiedlichen Wetterbedingungen unterwegs. Dabei haben wir auch gemerkt, dass wir unsere Kommunikation am Set anpassen müssen. Aber über diese Fehler bin ich froh, denn sie gehören zum Lernprozess. Glücklicherweise ist kein Riesenfehler entstanden, den wir nicht ausbügeln konnten.

Cyril: Ein Highlight war sicherlich die Reise nach Kigali, wo wir eine Reportage über die Editions Bakame, einen Kinderbuchverlag Ruandas, drehten. Unabhängig vom Filmen ist das größte Highlight aber das Logo, welches wir für unsere Firma von KRAUT & KONFETTI angefertigt bekamen. Von allen Seiten kam bei einem Besuch unserer Homepage, wenn nicht Interesse an unseren Projekten geweckt wurde, eine neugierig verlegene Nachfrage nach dem Logo: „Habt ihr das gemacht?“ Und stets war die Antwort: „Nein, sowas können nur Profis bei KRAUT & KONFETTI zaubern.“ (Anmerkung der Redaktion: Leichtes Erröten auf Seiten der Autorinnen aka Designerinnen :))

Helen beim Dreh in Kolumbien. (Foto ©Denkbilder Filmproduktion)

Cyril hinter den Kulissen in der Schweiz. (©Denkbilder Filmproduktion)

5. Was können wir 2022 von euch erwarten (und wo können wir uns das anschauen)?

Cyril: Unser erster Dokumentarfilm „Crossroads Crimea“ geht auf Filmfestival-Reise ab April und kommt später in die Kinos. Dann sind wir dran eine Reportage über die Erhaltung der Europäischen Honigbiene zu entwickeln, mit deren Dreharbeiten wir im Frühling beginnen. Des Weiteren sind zwei größere Dokumentarfilme in der Pipeline, von denen es aber noch zu früh ist Details preiszugeben. So viel sei aber gesagt: Es handelt sich einerseits um ein philosophisches Projekt mit experimentellem Charakter und andererseits um eine Dokumentation, für die wir drei Kontinente bereisen wollen. Es bleibt auf jeden Fall spannend bei den Denkbildern!

Helen: Und wir machen an der HdK (Hochschule der Künste Bern) eine berufsbegleitende Weiterbildung zu Dokumentarfilmen.

 

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