konfektblog

zurück zur Übersicht

Remote Work – Das Ende der Kaffeemaschinen-Momente?

Und noch ein Artikel über Remote Work. Muss das sein? Unsere Antwort ist JA, denn genauso viele Artikel, wie es zu dem Thema gibt, genauso viele Meinungen und Modelle gibt es offenbar. Und das ist auch gut so.

Illustration einer Home Office Situation, Monitor im Zentrum zeigt eine Frau mit Kaffeetasse, vor dem Monitor streckt sich eine Nacktkatze auf dem Schreibtisch, daneben eine Tasse, Tastatur und Pflanzen

Linda Kearns
30. Mai 2023

Seit der Pandemie scheint es das Arbeitsmodell schlechthin zu sein: Die Fernarbeit oder auch das mobile bzw. ortsflexible Arbeiten. Viele Menschen, deren Jobs sich dafür eignen, haben entweder vollständig von zu Hause aus gearbeitet (Fully Remote) oder ein Hybridmodell genutzt (Hybrid Work), bei dem sie sowohl im Büro zu bestimmten Zeiten präsent waren, aber auch außerhalb des Büros, beispielsweise im Homeoffice gearbeitet haben. Viele, die diese Option einmal ausprobieren konnten, wollen nun nicht mehr zurück ins Office.

Remote Work – zu überzeugend waren und sind die Vorteile:

  • geringere Anfahrtszeiten und -kosten
  • höhere Konzentration und Produktivität durch ungestörtes Arbeiten und gezielten Austausch
  • verbesserte Work-Life-Balance durch flexible Einteilung von Arbeitszeit und -ort
  • Familie, Freizeitaktivitäten und Sport können besser in den Alltag integriert werden, was zu einer Steigerung des Wohlbefindens beiträgt
  • Effekte einer potenziell toxischen Arbeitsumgebung werden gemildert (Präsenz von unangenehmen Kolleg:innen muss nicht ertragen werden)


In Deutschland ist allerdings eine ausgeprägte Präsenzkultur verbreitet, die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besonders stark ist. Trotz des Wunsches nach Veränderung lässt sich diese etablierte Kultur nicht so schnell verändern.

Anwesenheit im Büro – gute Gründe (nicht nur) aus Unternehmenssicht:

  • kurze Abstimmungswege
  • persönliche und direkte Kommunikation
  • soziale Kontakte
  • direkte Wahrnehmung der Arbeitsleistung und Weiterentwicklung sowie der Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Kolleg:innen, Teammitglieder und Mitarbeitenden
  • einfache Zusammenarbeit ohne technische Hürden
  • bessere Möglichkeiten der Einarbeitung, Mitarbeiterbindung und Schaffung einer Unternehmenskultur (höhere Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen, stärkeres Zugehörigkeitsgefühl)
  • Gelegenheiten, Arbeitsbeziehungen und ein karriereförderndes Netzwerke aufzubauen, Kolleg:innen zu betreuen und voneinander zu lernen sind reichlich vorhanden und leicht zugänglich
  • klare Arbeitszeiten und Pausen
  • einfachere, weil räumliche Trennung von Privatem und Geschäftlichem
  • nicht zu vergessen: von Kolleg:innen mitgebrachter Kuchen, Feierabendbier, gemeinsame Mittagessen, des Pläuschen in der Küche beim bottomless Kaffee, der Obstkorb, die schicke Büroausstattung, …

New Work oder Altbewährtes

Obwohl es derzeit noch keinen rechtlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten gibt, ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Unternehmen werden sich in Zukunft kaum der Auseinandersetzung mit diesem Thema entziehen können, unabhängig davon, ob sie daran glauben oder nicht. Nicht nur mögliche Gesetze machen dies notwendig, sondern die qualifizierten Arbeitskräfte selbst, mit denen wir gern arbeiten würden, die sich aber nicht mehr mit traditionellen Arbeitsmodellen identifizieren können. Besonders die junge Generation besteht mehr und mehr auf eine optimale Work-Life-Balance und wird sich die passenden Jobs aussuchen. Die lokale Beschränkung des Arbeitsplatzes kann sich für ein Unternehmen, insbesondere angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels, zu einem existenziellen Problem entwickeln. 

Es lohnt sich somit, die Vor- und Nachteile des flexiblen Arbeitens für das eigene Unternehmen genau und objektiv zu prüfen sowie kontinuierlich zu überdenken und anzupassen. Was in einem Moment utopisch erscheint und mit viel zu viel kostspieliger Veränderung und administrativem Aufwand zusammenhängt, kann mit mehr Hintergrundwissen und Perspektive ganz attraktiv sein.

Offene Kommunikation als Mittel gegen Unzufriedenheit
Ob man sich ganz bewusst für die altbewährte Anwesenheitskultur entscheidet oder den Schritt in Richtung New Work wagt – klar Position beziehen und diese intern transparent kommunizieren kann helfen, um eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem jeweiligen Modell zu vermeiden. Gibt es viele Mitarbeitende, die gern flexibler arbeiten möchten, kann sich die unbedingte Büroarbeit wie ein Zwang anfühlen und Unmut erzeugen. Genauso können Kolleg:innen überfordert sein, wenn sie plötzlich mehr Verantwortung übernehmen, selbstdiszipliniert ihre Arbeitszeiten und -abläufe managen oder sich mit mindestens fünf neuen Programmen gleichzeitig auseinandersetzen müssen, um sich mit ihrem Team austauschen zu können.

Um Verständnis für die Anwesenheit im Büro zu erhalten, ist es ratsam, Kompromisse oder Anreize mit den Mitarbeitenden zu diskutieren, z. B. sporadisches Homeoffice, flexiblere Arbeitszeiten oder eine verbesserte Ausstattung des Büroarbeitsplatzes. Auch für die Einführung neuer Prozesse und Strukturen ist die Sensibilisierung des Teams unerlässlich. Bereits zur Erarbeitung des passenden New-Work-Modells sollte der Dialog mit den Mitarbeitenden gesucht und ihre Bedürfnisse einbezogen werden. Gemeinsam können so Mittel und Wege formuliert und schließlich auch implementiert werden.

Klare Strukturen für maximale Freiheit

Was dabei auf gar keinen Fall fehlen darf, sind klare Strukturen, definierte Regeln, nachhaltige Organisation, festgelegte Routinen und abgesteckte Grenzen – genau wie im Büro auch, nur digital statt analog. Zunächst müssen also die nötigen rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden.

New Work – Rechtliche und technische Rahmenbedingungen schaffen:

  • Arbeitsverträge müssen auf das neue Modell angepasst, Aufgaben und Erwartungen klar beschrieben werden.
  • Versicherungen sollten überprüft und ggf. angepasst werden.
  • Regeln für den Datenschutz und die Datensicherheit müssen bestimmt werden.
  • Für das Arbeiten von unterwegs und das Einrichten des Home-Offices müssen die benötigte Ausstattung und die erforderliche Hard- und Software eingerichtet werden.
  • Zudem muss nachdrücklich auf die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen außerhalb des Büros hingewiesen werden (Ergonomie, Ruhezeiten, Vermeidung von Work-Life-Blending).


New Work: Die richtige Organisation für vertrauensvolles und effektives digitales Zusammenarbeiten:

  • Der Onboarding-Prozess für neue Kolleg:innen muss klar definiert sein und gewissenhaft durchgeführt werden.
  • Für sichere, reibungslos funktionierende Arbeitsprozesse müssen die passenden Kommunikationstools kollektiv genutzt werden und fehlerfrei funktionieren.
  • Mitarbeitenden und Führungskräften sollten für den effektiven Umgang mit Tools und die Umsetzung von Remote Work stetig Schulungen angeboten werden.
  • Kernarbeitszeiten, Erreichbarkeiten und der Umgang mit Zeiterfassung müssen eindeutig festgelegt sein.
  • Regelmäßige gemeinsame Meetings als auch spontane Direktmeetings sollten ermöglicht und organisiert werden.
  • Meetings und Feedback müssen für alle zentral zugänglich dokumentiert werden.
  • Durch regelmäßige analoge und digitale Team-Events kann der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl der Teams und Bereiche gestärkt werden. Hierzu zählen auch kleine oder kurze bewusste Begegnungen, wie z. B. ein 10-Minuten-Treffen an der virtuellen Kaffeemaschine.

Meeting-Etikette und -Prinzipien

Während der Pandemie haben wir unsere Kolleg:innen (und Kund:innen) ganz neu kennengelernt. Eine hat Nacktkatzen, der andere wohnt in einer WG mit Mitbewohnern, die gern gemusterte Unterhosen tragen und bei manchen konnte man über Stunden hinweg den Blick in das Naseninnere genießen. Die Einblicke in die heimische Arbeitsumgebung waren zwar sehr spannend und der unbeholfene Umgang mit den neuen Technologien und Abläufen irgendwie süß, im Nachhinein betrachtet aber auch ziemlich unprofessionell. Mittlerweile haben wir einiges gelernt und wissen, wie man Hintergrundbilder einstellt bzw. kennen die Blur-Funktion.Illustration einer Online-Meeting Situation, vier Browserfenster mit je einer Person auf farbigem Hintergrund, oben links Oberkörper einer Frau mit Kaffeetasse, oben rechts eine Frau mit Katze, unten rechts eine Person mit Schirmmütze, unten links eine Person in Boxershorts

Wichtig ist das natürlich in der Kommunikation nach außen – in Gesprächen mit Kunden oder Geschäftspartnern. Der passende Hintergrund, angemessene Kleidung, eine gut eingestellte Kameraperspektive, Lichtsituation und Tonqualität beeinflussen, wie das Unternehmen vom Gesprächspartner wahrgenommen wird. Ebenso entscheidend wie das Erscheinungsbild ist das Verhalten. Hinter der „Schutzmauer” des Laptops und in heimischer Umgebung können sich Verhaltensweisen einschleichen, die wir aus Präsenz-Meetings nicht kennen und die zu Irritation führen können. Zum Beispiel mitten im Gespräch sein Mittagessen auszupacken oder sich mit anderen Dingen wie E-Mails schreiben oder gar Wäsche aufhängen zu beschäftigen. Die Stummschalt- oder Kamera-aus-Funktion macht’s möglich.

Für ein respektvolles und konsistentes Auftreten in jedem digitalen Gespräch und von allen Mitarbeitenden können eine definierte Meeting-Etikette und abgesteckte Verhaltensprinzipien sinnvoll sein – nicht nur für die externe, auch für die interne Kommunikation. Präsenz zeigen und aufmerksam teilnehmen ist natürlich auch im Umgang mit Kolleg:innen maßgeblich. Und Regeln wie: „Nimmt eine:r digital teil, nehmen alle digital teil” sind beispielsweise wichtig für eine gleichberechtigte Behandlung aller Mitarbeitenden. Ausschlaggebend für diese Regeln sind die Haltung und Werte eines Unternehmens. Für die Implementierung ist das Zusammenspiel diverser Abteilungen gefragt (HR, Marketing, IT, …). 

Es gibt tausende Arbeitsmodell-Varianten und jede ist so individuell wie die Identität des Unternehmens selbst. Das passende Modell zu finden und zu implementieren kann eine Herausforderung sein. Gleichzeitig ist die Veränderung von Strukturen aber immer auch eine Chance zur Optimierung und eröffnet neue Möglichkeiten, Wege und manchmal sogar Welten.